Das gab’s nur einmal. Vor fünfundzwanzig Jahren begann das spannendste Projekt meiner Karriere: Die Expo-Werbespots mit Verona Feldbusch-Pooth und Sir Peter Ustinov. Ein wilder Ritt über den Bodensee, alles wurde mit heißester Nadel gestrickt, der Drehbeginn war für den 13. Juli fix, das erste Treffen zwischen Agentur und Produktion fand zehn Tage vorher im Beisein von Harald Schmidt statt, der an diesem Nachmittag zur Bestform auflief. Für dieses Meeting würde ich heute noch jedes Geld der Welt als Eintritt zahlen. Das Wichtigste aber: Wir hatten den Job.
Zur Vorgeschichte. Aus unerfindlichen Gründen hatte die niedersächsische Landeshauptstadt sich als Ausrichter für die Weltausstellung im Jahr 2000 beworben, und aus noch unerfindlicheren Gründen hatte sie den Zuschlag bekommen. So kam es zur EXPO 2000. Es entstand ein Konzept, das viel zu kopflastig war, zwar mit vielen gut gemeinten Ideen zu Ökologie und Städteplanung, doch die ganze Veranstaltung war völlig am Publikum vorbei geplant. Beispielhaft dafür stand das Expo-Maskottchen „Twipsy“, eine Art tschernobylgeschädigter Dodo, geboren in einer LSD-getränkten, gemeinsamen Session von Mondrian und der Diddl-Maus. Manche frühkindliche Störung der Generation Z dürfte auf eine Begegnung mit dieser Kreatur des Schreckens zurückzuführen sein.

Kurz: Die Expo interessierte kein Schwein, die Besucher blieben aus, die gesamte Veranstaltung drohte zu einem Riesenblamage für Hannover, Deutschland und die Regierung Schröder zu werden.
Also wurde umgeplant. Ab sofort stand der Entertainmentfaktor im Mittelpunkt. Das zentrale Element der Kampagne sollten die Werbespots werden. Titel: „Das gibt’s nur einmal.“ Das Konzept: Irgendwas mit Comedy. Und so kamen wir ins Spiel. Bonito machte mich zum Headwriter, ich rief die Kollegen Andy Gaw und Ralf Bunzel von der Wochenshow an, die sofort zusagten. Los ging’s.
Erstes Treffen des Teams sollte samstags um 12 Uhr auf dem Expo-Gelände sein. Doch am Vorabend heiratete bei Osnabrück noch mein bester Kumpel aus Schulzeiten. Die möglichen Protagonisten hatten bis dahin dreimal am Tag gewechselt, und als ich zur Hochzeitsfeier fuhr, waren noch völlig andere Namen in der Verlosung. Ich sag‘ nicht, wer, doch ich dachte nur: Oh mein Gott!
Um ein Uhr nachts musste ich mich auf der Hochzeit verabschieden, mir tut es bis heute leid um die charmante Unterhaltung mit der Chorkollegin der Braut, die ich abrupt beenden musste. Ich tat es für Deutschland. Samstagmorgen um zehn sprang ich ins Auto, um zur Expo zu rasen, pünktlich um 12 Uhr begann unsere Besichtigungstour übers Gelände, dabei waren neben Ralf Bunzel und Andy Gaw für Bonito noch Werner Kainz, Martin Kraus und Frank Offermanns von DDB Needham.
Die Protagonisten wurden bekanntgegeben: Ustinov und Feldbusch. Erster Gedanke: What? Zweiter Gedanke: Doch, das kann klappen. Väterlicher Freund und verrückte Nudel – hey, das ist sogar richtig gut! Ein odd couple vom Feinsten.
Einen Tag lang klapperten wir die Länderpavillons ab, sammelten Ideen, flachsten herum und hatten Spaß. Wir alle – und das war wirklich eine einmalige Erfahrung – verstanden uns auf Anhieb blind, so als würden wir schon ein Leben lang zusammenarbeiten. Gegen Ende des Abends standen die Ideen für die Spots. Teamplay at its best!
Niemand verlangte von uns ein Konzept oder eine Figurenbibel. Das war ein Stunt ohne Netz und doppelten Boden.
Rückfahrt ins Rheinland, am Sonntag dann das entscheidende Meeting in Düsseldorf. 9. Juli, nur noch vier Tage bis zum Dreh! Ich behaupte heute noch, dass die Agenturleute uns ՚was in den Kaffee getan haben, denn aus den bestehenden Ideen haben wir in Windeseile die Storys für fünf Spots zusammengeschraubt, die dann nur noch ausgearbeitet werden mussten. Was mit dieser genialen Crew ein Selbstläufer war. Abends ging’s dann mit dem Flieger – warum mit dem Flieger? – zurück nach Hannover: Zwei Tage lang Clips ausarbeiten in einem stickigen, dunklen Container, der in einer stickigen, dunklen Halle auf dem Expo-Gelände stand.
Dann benötigten wir noch einen Eröffnungsclip. Wunsch der Expo-Leitung unter Birgit Breuel. Ich erinnerte mich zum Glück an meine Lieblingsszene aus Mel Brooks‘ Meisterwerk „Silent Movie“: Das Rollstuhlrennen rund ums Krankenhaus mit Paul Newman. Diese Szene adaptierten wir, um Protagonisten und Expo-Gelände vorzustellen: Sir Peter und Verona lieferten sich ein Wettrennen mit Golfwägelchen. Birgit Breuel war begeistert. Bingo!
Job done, Caipirinha für alle! An jenem Mittwoch, dem Vorabend zum Dreh, habe ich mich quasi ins Wachkoma verabschiedet, ich machte bei den Drehs zwar offiziell noch die Scriptaufsicht, doch in diesen vier Tagen bestand meine Aufgabe ausschließlich darin, einmal darauf hinzuweisen, dass ein einzelner Gag falsch betont wurde. Die Dreharbeiten gingen in den geplanten vier Tagen über die Bühne, Feldbusch/Ustinov harmonierten und brillierten, am 24. Juli ging die Kampagne on air. Brutto waren vom erstem Meeting bis zur Ausstrahlung drei Wochen vergangen. Heute wäre das unvorstellbar, dieses Risiko würde niemand mehr gehen. Alle würden sich gegen ein mögliches Scheitern absichern, und auch ich muss aus heutiger Sicht sagen: Es war komplett irre, diesen Job anzunehmen. Aber das war es wert. 😃
Die Expo-Clips wurden erwartungsgemäß in den Leitmedien verspottet, wir sind schließlich immer noch in Deutschland, wo niemand unter seinem Niveau lacht. Aber sie funktionierten: Hey, das war gute Comedy! Die Besuchszahlen knallten hoch, wir hatten die Expo gerettet.
Geiles Team, tolle Sache.
https://www.spiegel.de/reise/aktuell/expo-werbung-millionen-fuer-feldbusch-und-ustinov-a-93931.html