Kenne deine Haltung

In diesen politisch aufgeladenen Zeiten ist viel von Haltung die Rede, die gezeigt werden solle. Aber worum geht es dabei? Die gute Nachricht ist: Haltung hat jeder. So wie man nicht nicht kommunizieren kann, kann man auch nicht keine Haltung haben, denn schlieĂźlich ist auch null Bock eine Haltung.

Ich bin die Schweiz? Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen? Auch eine Haltung. Nämlich die, sich nicht einzumischen.

Haltung ist die Einstellung, die wir zu einer Sache, einem Ereignis oder auch dem Leben an sich haben oder einnehmen. Wer etwa ein Date mit einem love interest hat, wird mit einer Haltung hingehen: „Mal schauen“ oder „Ich bin Gottes Geschenk an den weiblichen Teil der Bevölkerung“. Sowas. Vielleicht bleibt den Turteltäubchen ihre Haltung auch unbewusst, womöglich übernehmen die Hormone das Kommando, doch jedes für sich werden sie eine haben. Aus der ergibt sich, wie beiden sich beim Date – Achtung! – verhalten und was der Abend noch bringen wird.

Wer politisch fordert, Menschen sollten eine Haltung haben, meint etwas anderes. Er verleiht damit seiner eigenen Haltung Ausdruck, die in etwa lauten könnte: Bezieht Stellung, übernehmt Verantwortung. Denn Haltung ist viel mehr als nur ein Bekenntnis, sie liegt tiefer: In der Kommunikation ist Haltung die Grundlage für alles.

Sie haben einen öffentlichen Auftritt? Definieren Sie vorher Ihre Haltung. Daraus ergibt sich alles andere.

Sie möchten eine Story erzählen, beispielsweise in einem Film? Definieren Sie Ihre Haltung. Daraus ergibt sich die Perspektive, aus der Sie die Story erzählen, und damit setzen Sie alles weitere in Gang.

Sie möchten eine Figur entwickeln, einen fiktiven Charakter? Dann ist die Definition der Haltung der erste Schritt, sie ergibt sich unter anderem aus der Backstory einer Figur. Diese attitude, die ein fiktiver Charakter einnimmt, wird sich an der Realität reiben, woraus sich der Konflikt einer Story ergibt. Je größer der Gegensatz zwischen Haltung und Realität ist, desto mehr Tragik oder Komik können wir aus der Haltung ziehen. Darin steckt das Potenzial einer Figur.

Als Stasi-Chef Erich Mielke einst vor der DDR-Volkskammer verkündete, „Ich liebe doch alle“, war das tragisch und komisch zugleich. In diesem Satz bündelte sich sein Scheitern, krasser konnte ein Widerspruch zwischen Eigenwahrnehmung und Realität kaum sein. Aus solchen Brüchen entsteht die Comedy. Allerdings war das Lachen bitter, das Mielke damals entgegenschallte, da alle wussten, welches Leid dieser Mann in das Leben so vieler Menschen gebracht hat.

Jeder braucht eine Haltung, egal ob reale Person oder fiktiver Charakter. Isso.

Vor ein paar Jahren hatte ich ein Gespräch in einem Family Office an Zürichs Goldküste, herrlich gelegen mit Blick auf den See, die Familie wollte ihre Unternehmensgeschichte in einer Multimedia-Präsentation darstellen. Geld war nicht das Problem, sie hatte auch bereits einiges an Zeit und Mühe in die Zusammenstellung der Fakten investiert, ehe ich hinzugezogen wurde. Und die Geschichte war wirklich beeindruckend, die Firma hatte einige Umbrüche bravourös überstanden, über eine Stiftung engagierte sie sich in bewundernswerter Weise für Umwelt und Soziales. Soweit alles prima, auf dieser Basis hätte man wundervolle Stories erzählen können. Nur leider konnte ich die Haltung dahinter nicht erkennen, das Bild, das sich mir vermittelte, war zersplittert. Also versuchte ich sie aus den Mitarbeitern unter anderem mit Vorschlägen für ein Motto, einen Claim, eine Headline herauszukitzeln, doch alles verpuffte. Das einzige, was ich bekam, waren – Zahlen.

Ja, auch Renditemaximierung ist eine Haltung, nur leider sind Zahlen nun mal nicht sexy. In meinen Augen wurde auch diese Haltung Unternehmen und Unternehmerfamilie überhaupt nicht gerecht. Doch mehr konnte ich nicht greifen, damit fehlte auch die Perspektive, um unsere Stories zu erzählen, die Verantwortlichen wurden zunehmend unzufrieden und wussten doch selbst nicht warum. Es war zum Haare raufen: Da lagen so viele Nuggets im Bett dieses Flusses, doch niemand war bereit, die Waschpfanne in die Hand zu nehmen. Das Projekt versandete schließlich, was ich noch heute bedauere.

Auch hier rieb sich die eigene attitude an der Realität, was zum Scheitern führte. Deswegen ist dies meine Haltung zur Haltung: Im Kosmos um uns herum schwirren unendlich viele Geschichten, die sich wunderbar erzählen lassen. Doch dafür gibt es eine Voraussetzung: Definieren Sie Ihre Haltung.

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